Vom müssen müssen

Vom müssen müssen

Heute muss ich… Ich musste es tun… Ich muss nur noch kurz…

Nichts davon ist wahr. MÜSSEN gibt es nicht. Wir entscheiden uns, nachdem wir die Konsequenzen abgewogen haben. Manchmal entscheiden wir uns nur aus Bequemlichkeit, weil wir das schon immer so machen. Dann ist es natürlich wunderbar, wenn ein anderer oder einfach die äußeren Umstände verantwortlich sind.

Machen wir uns aber bewusst, dass es fast nie so ist, dass wir müssen müssen, solange wir nur ein Minimum an körperlicher und geistiger Beweglichkeit haben.

Musst Du jetzt in diesem Moment diesen Artikel lesen? Könntest du jetzt nicht auch z.B. Ski fahren? Ja, ich meine Ski fahren, selbst wenn hier kein Schnee liegt. Irgendwo liegt Schnee, auch wenn du gerade nicht da bist. Das war dann deine Entscheidung, genau hier und nicht dort zu sein. Vielleicht liegst du in der Sonne, während du das liest oder du sitzt im Arbeitszimmer, auf dem Sofa oder daddelst am Handy, während du eigentlich gerade mit Freunden unterwegs sein solltest oder dich mit der Familie unterhalten. Das ist deine Entscheidung.

Du wägst Konsequenzen ab. Das ist gut so. Ob Entscheidungen dann immer gut sind – manchmal vielleicht einfach nur bequemer, als einen neuen Weg einzuschlagen – ist eine andere Frage, die ich hier nicht beantworten will.

Es nervt nur einfach, wenn Menschen nicht bereit sind, die Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen, weil sie glauben müssen zu müssen.

Ich habe zwei Hühner. Sie sind wahrlich kein Ausbund an Intelligenz. Sie sind absolut triebgesteuert und ängstlich. Und sogar sie entscheiden. Das eine Huhn hat entschieden, stets wegzulaufen, wenn vermeintliche Gefahr droht. Das andere Huhn hat entschieden, sich streicheln zu lassen und es macht sich nur selten die Mühe, vor eventuellen Gefahren zu flüchten. Im Winter entscheiden die Hühner, dass sie lieber beim Stall bleiben, im Sommer erkunden sie die Gegend. Sie entscheiden stets neu. Sie sind viel weniger mächtig als ich – und doch bin ich manchmal unterlegen. Ich muss meine Entscheidungen stets auch dem Verhalten der Hühner anpassen. Wenn sie z.B. nicht in den Stall wollen, aber sollen, muss ich mir etwas einfallen lassen. Manchmal gehen sie auch ganz freiwillig. Sie entscheiden situativ, trotz geringer Intelligenz.

Selbst Menschen in Extremsituationen treffen eine Entscheidung. Sie werden mit der Waffe bedroht? Sie können die Hände heben und sich ergeben. Sie können auf den Angreifer zulaufen und versuchen, ihm die Waffe zu entreißen. Sie können versuchen, wegzulaufen. Sie können sich in den Staub werfen und winseln. Sie können anfangen zu lachen, wild mit den Armen rudern und sich im Kreis drehen.

Sicher sind einige dieser Entscheidungen extrem gefährlich, vielleicht unsinnig und es ist situativ vermutlich sinnvoll, zu deeskalieren. Aber du könntest dich anders entscheiden. Du musst dich nicht ergeben.
Du musst also nicht müssen. Warum sagst du es dann so oft?

Müssen müssen bezeichnet nichts anderes, als dass die Abwägung der Konsequenzen zu einer Entscheidung geführt hat. Es war also ein aktiver Akt.

Hast du dich als heute wieder entschieden, dass du nicht bereit bist, etwas in deinem Leben zu ändern? Du machst das, was du bisher getan hast, einfach weiter. Sogar, wenn es dich nicht glücklich macht oder nicht zum Erfolg führt. Dann ist dir das Risiko für eine Veränderung also zu hoch. Du hast dich entschieden. Keiner zwingt dich, alles so zu lassen, wie es ist. Der innere oder äußere Druck für eine Veränderung ist nicht hoch genug für dich.

Du bist total unglücklich in deinem Beruf, in deiner Partnerschaft, mit Familienbeziehungen und und und, aber heute machst du alles so wie gestern? Das ist okay, wenn es deine Entscheidung ist. Du darfst dich entscheiden, unglücklich zu sein. Du kannst dich entscheiden, das Risiko einer Verschlechterung bewusst nicht einzugehen. Aber dafür bist du dann selbst verantwortlich, kein anderer.

„Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“
Der berühmte Ausspruch von Georg Christoph Lichtenberg ist weit über 200 Jahre alt.

Also erst wenn dir das klar ist, dass du stets und immer – trotz aller äußeren Widrigkeiten, wie dem Markt, der Partnerin, dem Chef, dem Kollegen, den Bekannten, dem Nachbarn… – die Entscheidungen für dein eigenes Leben triffst, kommst du raus aus dem Jammertal. Es wird dir dann klar, dass du dich nicht mit „ich muss“ vor Veränderung drücken kannst. Du entscheidest dich dafür.

Verantwortung bedeutet aber auch, dass du deine Haltung begründen musst. Wenigstens vor dir selbst.

Und vielleicht ist es gut, alles so zu lassen, wie es gerade ist. Und vielleicht auch nicht…

Beste Entscheidungs-Grüße für dich!

Frauke Roloff - Hamburg

Frauke Roloff